Dialekte und andere sprachliche Abenteuer – oder: Wie ich dachte, ich spreche Deutsch
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Als ich nach Deutschland kam, war ich überzeugt: Ich kann Deutsch. Kein Problem! Ich hatte fleißig gelernt, viel gelesen, kannte unzählige Vokabeln – mein Kopf war ein wandelndes Wörterbuch. Grammatik? Check. Wortschatz? Riesig. Gespräche? Naja ... das kam dann später.
Denn was ich
konnte, war Hochdeutsch. Schön, sauber, lehrbuchmäßig. Ich konnte locker Bücher
lesen, aber keine Gespräche im Supermarkt führen. Und dann kam der
Kulturschock: Baden-Württemberg.
Was mir
niemand vorher gesagt hatte: In Deutschland spricht man nicht einfach
"Deutsch". Man spricht Dialekt. Oder besser gesagt: Man
nuschelt, verkürzt, verschluckt und singt Wörter in Tonlagen, die mir völlig
neu waren. Und jedes Dorf hat seinen eigenen Slang!
An der Uni
lief alles super – da sprach man mein geliebtes Hochdeutsch. Ich wurde sogar
für mein tolles Deutsch gelobt! Auf der Straße hingegen ... war ich plötzlich
wieder Anfängerin. Die echten Herausforderungen begannen, als ich meinen ersten
Nebenjob in der Gastronomie annahm.
Mein erster
Einsatz: ein Getränkestand auf einem Fest. Was soll schon schiefgehen? Ich stand also hinter der
Theke, bereit, meine Sprachkenntnisse glänzen zu lassen – und verstand kein
Wort. „Zwoi Weinschrole ond a Spezi, bidde!“ Ähm ... was? Ich hatte keine
Ahnung, was das alles sein sollte. In meinem Kopf war Chaos, vor mir eine
wachsende Menschenschlange, hinter mir ein nervöser Veranstalter.
An diesem
Tag habe ich gelernt: Weinschorle ist kein exotisches Getränk – und
Apfelschorle ist nicht das gleiche wie Apfelsaft.
Später habe
ich in einer Pizzeria gearbeitet, dachte: Super Gelegenheit, mein Deutsch zu
verbessern! Denkste. Die Bestellungen musste ich oft drei Mal nachfragen. Und
dann kam der Höhepunkt: Ein Gast schaut mich völlig entnervt an und ruft: „Sag
mal! Sprisch du kein Deutsch?!“
Ich – völlig schockiert, aber nicht auf den Mund gefallen – antworte: „Doch,
ich spreche Deutsch. Aber könnten Sie bitte normales Deutsch sprechen?“ Mein
Chef hat’s gehört und sich den Bauch vor Lachen gehalten.
Mit der Zeit
habe ich mich an die Dialekte gewöhnt – und sogar lieben gelernt. Ich habe
Fernsehsendungen auf Schwäbisch und Badisch geschaut, mir Wörter aufgeschrieben
wie ein Linguistik-Nerd, und irgendwann dachte ich: Okay, jetzt versteh ich
das alles. Meistens. Sprechen tu ich’s nicht – aber ich kann inzwischen
ganz gut mitlachen.
Heute, in Deutschunterricht, höre ich oft von Teilnehmenden: „Also das, was wir auf der
Straße hören, ist ganz anders als im Unterricht!“ Und ich sage dann stolz: „Das
stimmt. Aber bei uns lernt ihr Hochdeutsch – das verstehen am Ende alle.“
Und während ich das sage, denke ich kurz an die Szene am Getränkestand zurück –
und muss jedes Mal wieder ein bisschen grinsen.
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